World Games

Eine Familie, die im Karate für die Goldmomente sorgt

Mia Bitsch holt bei der Karate-EM in Armenien zwei Titel und erklärt, wie ihre Geschwister und ihre Eltern ihren sportlichen Karriereweg geprägt haben, und warum sie sich ganz besonders auf die World Games im August freut.

Autor: DOSB
4 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 13. Mai 2025

Als die Titelverteidigung perfekt war, hatte Mia Bitsch eine Eingebung, die sie unbedingt mit ihrem Bruder teilen wollte. „Ich habe zu ihm gesagt: Vielleicht hat das Training im Urlaub auf den Parkplätzen doch etwas gebracht“, erzählt die 21-Jährige zwei Tage nach ihrem Triumph bei der Karate-EM in Armeniens Hauptstadt Jerewan, wo sie im Finale der Gewichtsklasse bis 55 Kilogramm die Luxemburgerin Jennifer Warling mit 4:1 bezwungen hatte. Ihr Bruder Noah Bitsch (35) ist Bundestrainer der Frauen und Männer, er hat also durchaus einen Anteil an ihren Erfolgen. Aber für die Übungseinheiten im Urlaub war Vater Klaus verantwortlich, und deshalb ist dies die Geschichte einer Familie, die die in China wurzelnde und in Japan zum Wettkampfsport entwickelte Kampfkunst in Deutschland prägt wie kaum eine andere.

An ihre Anfänge im mit rund 145.000 Aktiven mitgliederstärksten deutschen Kampfsport kann Mia sich nicht erinnern, schließlich wurde sie schon mit 26 Tagen im Verein Bushido Waltershausen angemeldet, den ihre Eltern in der Kleinstadt im Landkreis Gotha in Thüringen, wo die Familie auch lebt, führen. „Ich hatte keine andere Wahl. Mit zwei Jahren stand ich erstmals in der Trainingshalle“, sagt sie. Die Liebe zum Karate entwickelte sich allerdings schnell dahingehend, dass sie auch keine Wahl mehr benötigte. Weil nicht nur Noah, sondern auch ihre Schwester Jana (34), die heute den Nachnamen Messerschmidt trägt, in die Weltklasse vorstießen, hatte sie die besten Vorbilder täglich vor Augen. „Meine Geschwister waren meine Idole, ich wollte unbedingt so sein wie sie“, sagt sie. Als Jana, die ebenfalls im 55-kg-Limit antrat, nach den Olympischen Spielen von Tokio 2021, wo Karate einmalig ins Olympiaprogramm aufgenommen worden war, ihre Karriere beendete, scherzten die beiden darüber, „dass ihre Gegnerinnen sich bestimmt erst gefreut haben, dass sie weg war, und sich dann umso mehr ärgerten, dass die nächste Bitsch schon wartete.“

Es nun tatsächlich auch im Erwachsenenbereich in die Weltspitze geschafft zu haben – aktuell steht Mia auf Rang drei der Weltrangliste –, erscheint der Sportsoldatin, die ein Studium für Sport- und Eventmanagement beginnen will, noch immer ein wenig surreal. Neben dem zweiten EM-Einzeltitel gewann sie in Jerewan auch Gold mit dem Team, ohne allerdings einen Kampf bestritten zu haben, weil aus dem Fünfer-Aufgebot nur je drei Kämpferinnen pro Duell benötigt werden und der Fokus auf die schwereren Gewichtsklassen gelegt wurde. „Aber ich habe von außen unterstützt und fühlte mich als Teil des Teams“, sagt sie. Auch wenn Karate grundsätzlich ein Einzelsport ist, hat Mia ein funktionierendes Umfeld sehr früh schätzen gelernt und als extrem bereichernd empfunden. „Vor allem, dass mein Bruder so eng an meiner Seite ist, hilft mir sehr“, sagt sie. Weil ihr Vater im Juniorinnenbereich Bundestrainer war und Mutter Bianca als „größter Fan und mit offenem Ohr für alles“ bei allen Kämpfen dabei ist, habe sie nie ohne ihre Familie kämpfen müssen. „Das bedeutet mir sehr viel, es gibt mir Kraft und Sicherheit“, sagt sie.

Vor allem die Sicherheit sei ein Element, das ihren Karriereweg geebnet habe. „Im Sport bin ich ein sehr taktischer Mensch. Ich werde im Team als ‚kleiner Panzer‘ bezeichnet, weil ich mich nicht viel bewege, sondern die Gegnerinnen dank meiner Ausstrahlung in die Enge treibe und dann abkontere“, sagt sie. In Armenien als Titelverteidigerin anzutreten, habe sie nicht unter zusätzlichen Erwartungsdruck gesetzt. „Ich war eher gelassener, weil ich wusste, dass ich es schon einmal geschafft habe, Europameisterin zu werden. Dadurch konnte ich jeden Moment auskosten und genießen, und so geht es mir immer, wenn ich weiß, dass ich in der Vorbereitung alles getan habe, um erfolgreich sein zu können“, sagt sie. Und dass sie das tut, ist für Mia selbstverständlich. „Ein wenig Talent braucht jeder, der in die Weltspitze will. Aber bei uns stand immer schon die harte Arbeit im Vordergrund.“

Arbeit, die sich in diesem Jahr noch zweimal auszahlen soll. Ende November finden in Ägyptens Hauptstadt Kairo die Weltmeisterschaften statt, die im Zweijahresturnus ausgetragen werden. Den Saisonhöhepunkt allerdings bilden die World Games, die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten, die vom 7. bis 17. August in Chengdu (China) geplant sind. „Da die nur alle vier Jahre stattfinden, liegt dort unser Fokus. Die World Games sind für uns der Ersatz für Olympia, darauf fiebern alle hin“, sagt Mia. Nur acht Starterinnen pro Gewichtsklasse sind zugelassen. Neben ihr haben aus dem Deutschen Karate-Verband (DKV) auch Johanna Kneer (27/KJC Ravensburg/ über 68 kg), die ebenfalls zum Gold-Team in Jerewan zählte, und die aktuell mit einem Kreuzbandriss pausierende Hamburgerin Reem Khamis (22/bis 61 kg) die knallharte Qualifikation überstanden.

„Chengdu ist für uns alle Neuland, wir konnten uns aber im März beim World Cup in China schon einmal an die Begebenheiten gewöhnen, die uns erwarten werden“, sagt sie. Die Vorbereitung auf das Event umfasst ein World-Cup-Turnier in Rabat (Marokko) in drei Wochen und mehrere Lehrgänge mit dem Nationalteam und dem World-Games-Kader. Und ein Kurzurlaub, um mal ein paar Eindrücke zu verarbeiten und etwas zu regenerieren, ist auch geplant. Parkplätze wird Mia Bitsch, die beim Klavierspielen vom Sport entspannt, dann meiden. Manchmal liegt eben, auch wenn es schwerfällt, in der Ruhe die Kraft.