World Games

Gold als Ziel, Silber gewonnen: Gefühlschaos bei Kickboxerin Stefanie Megerle

Die 29-Jährige hatte im Finale gegen die Ungarin Andrea Busa Pech mit den Kampfrichtern. Ende November will sie nun Weltmeisterin werden und dann nur noch in den USA kämpfen. Roland Viczian verschenkt Bronze im 63-kg-Limit.

4 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 14. August 2025

Fairer Trainer: Keine Kritik an seiner Kämpferin und am Kampfgericht

Die Spuren des Kampfes waren ihr aus dem Gesicht zu lesen. Doch es waren keine Treffer, die Stefanie Megerle gezeichnet hatten im Kampf um die Goldmedaille bei den World Games in Chengdu. Tränen der Enttäuschung weinte die 29 Jahre alte Kickboxerin aus Öhringen nahe Heilbronn nach ihrer 4:6-Niederlage gegen die Ungarin Andrea Busa (32) in der Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm des Point-Fighting-Wettbewerbs, und man musste sie verstehen. Es ist immer hart, ein Finale zu verlieren. Aber ein Finale zu verlieren, in dem man nicht die schlechtere, sondern die unglücklichere Athletin gewesen war, das schmerzt tief und bohrend. „Wenn einem zehn Leute sagen, dass sie das Ergebnis andersherum gesehen haben, dann tut das einfach wahnsinnig weh“, sagte die Schwäbin, als sie nach der Siegerehrung im Aufwärmraum ihr Gefühlschaos zu ordnen und ihre Enttäuschung in den Griff zu bekommen versuchte. 

Tatsächlich war die Europameisterin, die den Titel im vergangenen Jahr gegen ebenjene Andrea Busa gewonnen hatte, auf der Tatami im fast voll besetzten Sichuan Gymnasium die aktivere Kämpferin, die das Tempo vorgab und mutig die Offensive suchte. Allerdings musste man der Ungarin zugestehen, dass sie sich im Kontern der Attacken meisterhaft anstellte und dadurch die Wertungsrichter beeindruckte. Während Stefanie Megerle sich nicht erklären konnte, was sie hätte besser machen können, hatte Trainer Sven Mager zumindest einen Ansatz entdeckt. „Die Gegnerin war sehr gut eingestellt, vielleicht hätten wir unsere Angriffe noch etwas besser vorbereiten müssen“, sagte er, wollte das aber nicht als Kritik an seiner Sportlerin verstanden wissen. „Es war eine Superleistung von Steffi. Einige Punkte würde ich mir gern im Nachhinein noch einmal ansehen“, sagte er – ohne jedoch auch hier den Boden des Fairplay zu verlassen. „Es ist schwer zu sehen, wer die Treffer setzt, wir werden hier die Schuld nicht bei den Kampfrichtern suchen.“ 

Roland Viczian hatte Potenzial für mehr als Platz vier

Das ist löblich – und würde auch den Fokus weglenken von der sportlich herausragenden Performance der Silbermedaillengewinnerin, die mit etwas Abstand zumindest ihre gesamte Turnierleistung bei ihrer World-Games-Premiere mit den klaren Siegen im Viertelfinale gegen Vanessa Sanchez aus Mexiko (13:6) und im Halbfinale gegen die Slowenin Tina Baloh (15:5) als Erfolg verbuchen konnte. „Die ersten beiden Kämpfe waren herausragend. Natürlich war Gold mein Anspruch, weil ich alle Kämpferinnen im Feld schon geschlagen hatte. Aber ich werde mich mit etwas Abstand bestimmt auch über die Silbermedaille freuen“, sagte sie, als die Tränen getrocknet waren und der Kampfgeist zurückkehrte. Jene mentale Stärke, die Trainer Mager als hervorstechendste Eigenschaft seiner Vorzeigeathletin beschreibt. „Sie kann Kicks, sie kann Hände, eigentlich kann sie alles. Aber ihre mentale Stabilität hat sie in den vergangenen Monaten am meisten optimiert“, sagte er. 

Nicht ganz so glücklich war der Coach mit der Leistung seines zweiten Schützlings. Roland Viczian (24), der mit Mager in Kirchheimbolanden (Rheinland-Pfalz) trainiert, verbaute sich seine Medaillenchance mit zwei eher pomadigen Auftritten in der Point-Fighting-Kategorie bis 63 Kilogramm. Im Halbfinale unterlag er dem Ungarn Roland Veres 5:15, im Kampf um Bronze gab es ein 9:19 gegen den Bulgaren Borislav Radulov. „Roland hat zu wenig Reaktion gezeigt. Er hat mehr drauf und hat hier eine Medaille verschenkt“, sagte der Trainer. Der zweimalige Europameister sah es selber nicht ganz so kritisch. „Ich wusste, dass meine Klasse sehr hart wird, und bin deshalb stolz auf den vierten Platz. Mein Potenzial entfaltet sich noch, ich werde hart dafür trainieren, bei der WM und auch bei den World Games 2029 in Karlsruhe eine Medaille zu gewinnen“, sagte der gebürtige Ungar, der seit 2021 Mitglied der Nationalmannschaft ist. 

Stefanie Megerle fliegt am Wochenende zu ihrem Freund nach Schottland

Wie es mit Stefanie Megerles sportlicher Karriere weitergeht, ist unklar. Die WM Ende November in Abu Dhabi wird sie auf jeden Fall noch für Deutschland bestreiten und sich „dort hoffentlich den WM-Titel holen, der mir noch fehlt.“ Anschließend plant sie, nur noch auf dem lukrativen US-Markt an Preisgeldturnieren teilzunehmen. „In Europa bin ich durch, da habe ich alles gewonnen. Jetzt möchte ich schauen, dass ich aus meinem Sport auch noch finanziell etwas mitnehmen kann“, sagte sie. Keine Fragezeichen gab es hinsichtlich der kurzfristigen Zukunftsplanung. Noch in der Nacht zu Freitag ging es per Direktflug von Chengdu zurück nach Frankfurt am Main und weiter in die Heimat. 

Dort wird sie kurz die Wäsche wechseln und erneut die Tasche packen, um nach Schottland zu fliegen. Dort wartet ihr Freund, ebenfalls Kickboxer, um sie zu trösten. Wobei Trost dann hoffentlich nicht mehr nötig sein wird, denn für ihre Leistung gibt es nur ein Gefühl, das angemessen wäre: Stolz.