
Lucie Marie Kretzschmar feiert an ihrem 25. Geburtstag mit den deutschen Frauen einen erfolgreichen World-Games-Auftakt und will als Führungsspielerin das nächste Gold. Auch die deutschen Beachhandballer starten mit einem überzeugenden Sieg.
Tochter von Handball-Legende Stefan Kretzschmar
Da stand sie in der Mixed Zone, abgekämpft zwar nach einer Hitzeschlacht bei 36 Grad, aber dennoch überglücklich. „Ich wäre schon traurig gewesen, wenn wir mit einer Niederlage ins Turnier gestartet wären, aber so ist es das schönste Geschenk, das ich bekommen konnte“, sagte Lucie Marie Kretzschmar, nachdem sie am Donnerstagmittag in der Xinglong Lake Beach Arena in Chengdu mit den deutschen Beachhandballerinnen das Auftaktspiel der World-Games-Vorrunde mit 2:0 (19:14, 19:18) gegen Spanien gewonnen hatte. Und das an ihrem 25. Geburtstag, zu dem ihr die Mannschaft am Morgen ein Ständchen gesungen und die Team-Physiotherapeutin ihren besten Kaffee mit ihr geteilt hatte – ein echter Freundschaftsdienst angesichts der Plörre, die sie in der Mensa des Athlet*innendorfs als Kaffee ausgeben.
Der Sieg gegen den amtierenden Europameister war für den EM-Dritten nicht nur eine Genugtuung, sondern auch ein Start nach Maß in die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten, bei denen die deutschen Frauen als Titelverteidiger in den Sand gehen. Zwei Halbzeiten lang zeigte sich die Auswahl von Bundestrainer Alexander Novakovic offensiv zielstrebig und defensiv zupackend. Allen voran Lucie Marie Kretzschmar. Wer die Tochter von Handball-Legende Stefan Kretzschmar dabei beobachtet, wie sie sich ohne Rücksicht auf Verluste in jeden Ball wirft, sich in jedem Zweikampf wie ein Türsteher auf der Reeperbahn vor der Kontrahentin aufbaut und gewonnene Duelle mit einem Urschrei und zu Fäusten geballten Händen abfeiert, der würde sich wohl lieber einem ausgewachsenen Panda (Maskottchen der Spiele) zum Kampf stellen, als mit der deutschen Abwehrkante zusammenzustoßen.
Starkes Debüt von Emma Pilz im A-Nationalteam
„Ich gebe immer 20 Minuten Vollgas und versuche, meine Überzeugung auf die Mannschaft zu übertragen und sie damit mitzureißen“, sagte die amtierende Weltmeisterin und World-Games-Gewinnerin von 2022, die in Chengdu nichts anderes als den erneuten Gewinn der Goldmedaille als Ziel ausgegeben hat. „Ich fahre zu keinem Turnier, um nicht den Titel zu holen. Als ich vor ein paar Monaten die Medaillen in Form eines Pandakopfes gesehen habe, habe ich gleich gedacht, dass uns die in Gold sehr gut stehen würden“, sagte sie. Als Führungsspielerin ist die gebürtige Magdeburgerin, die mittlerweile in Mannheim lebt und in Heidelberg Grundschullehramt studiert, extrem wichtig und sehr stark darin, jüngere Spielerinnen mitzureißen.
Eine davon war am Donnerstag Emma Pilz. Die 16-Jährige debütierte gegen Spanien im A-Team und war als Shooterin – die einzige Spielerin auf dem Feld, deren Tore auch dann zwei Punkte zählen, wenn sie nicht per Trickwurf erzielt werden – durchaus auffällig. „Es war eine super Stimmung, trotz der Hitze hat es viel Spaß gemacht. Ich war noch nie auf so einem großen Turnier in einer so großen Arena“, sagte die rechte Außenspielerin. An diesem Freitag (9.30 Uhr, alle Zeiten MEZ) geht es gegen Außenseiter Vietnam weiter, zum Abschluss der Vorrunde wartet am Samstag (11.10 Uhr) Dänemark. Alle vier Teams ziehen ins Viertelfinale ein, das überkreuz mit der Parallelgruppe, bestehend aus Portugal, Kroatien, Argentinien und China, ausgespielt wird.
Lucie spielt in der Bundesliga für die HSG Bensheim/Auerbach Flames
Für Lucie Marie Kretzschmar bedeuten die World Games nicht nur reines Vergnügen, sondern auch körperliche Strapazen. Weil sie in der Halle für die HSG Bensheim/Auerbach Flames in der Bundesliga antritt, sind Ruhepausen rares Gut. „Das Pensum, das ich gehe, ist schon krass, ich stehe das gesamte Jahr unter Strom und fehle wegen der World Games in der Bundesliga-Vorbereitung“, sagte die 1,79 Meter große Rückraumspielerin. Sie könne sich dennoch kaum Schöneres vorstellen, als mit der Beach-Nationalmannschaft Abenteuer zu erleben. „Ich habe die Mädels total ins Herz geschlossen. Wir sind ein verschworener Haufen, und der Erfolg hilft natürlich auch beim Wohlfühlen.“
Bleibt das so, dann kann sie sich durchaus vorstellen, in vier Jahren die Heim-World-Games in Karlsruhe noch mitzumachen. „Ich fühle mich noch weit weg davon aufzuhören“, sagte sie. Bewusst habe sie sich für den Bundesliga-Spielbetrieb einen Verein gesucht, der ihre Leidenschaft für den Sand toleriert. „Beachhandball ist ein wichtiger Teil von mir, er erdet mich. Wenn ein Verein das nicht mitmacht, dann passen wir nicht zueinander, denn erst durch Beachhandball werde ich zur vollständigen Person.“ Das erscheint umso verständlicher, wenn man weiß, dass der regelmäßige Sommer-Exkurs viel dazu beigetragen hat, sich von ihrem Nachnamen zu emanzipieren. „Ich kann nicht leugnen, dass der Name eine Belastung war. Der Beachhandball hat mir ermöglicht, meine eigene Geschichte zu schreiben, etwas zu tun, was nur ich mache. Dafür bin ich auf ewig dankbar. Ich hätte nie geglaubt, diesen Weg so einzuschlagen“, sagte sie. Und der Weg ist ja längst nicht zu Ende gegangen, in Chengdu hat er gerade erst begonnen.
Deutsche Männer besiegen amtierenden Weltmeister Kroatien
Das gilt auch für die deutschen Männer, die 2022 nicht am Start waren und sich erst Mitte Juli als Europameister das Ticket für China gesichert hatten. Am Donnerstagvormittag besiegten sie den amtierenden Weltmeister Kroatien mit 2:1 (22:10, 20:27, 10:6) im Shootout und zeigten dabei in den beiden Halbzeiten unterschiedliche Gesichter. „In der ersten Hälfte sind wir richtig gut reingekommen, haben eine super Abwehr gestellt. In der zweiten Hälfte haben wir ein wenig den Zugriff verloren und 17 Punkte mehr zugelassen“, sagte Jannis Herr, „aber das ist das Schöne am Beachhandball, dass es zur Halbzeit wieder bei 0:0 losgeht. Im Shootout waren wir dann voll da.“ Der 18-Jährige von der TSG Münster aus Hessen zeigte bei seinem World-Games-Debüt eine sehr abgeklärte Angriffsleistung.
Ein weiterer Sieggarant war Torhüter Moritz Ebert, der beim HSC Kreuzlingen in der Schweiz spielt und die Kroaten vor allem in Hälfte eins mit starken Paraden zur Verzweiflung brachte. „Ich bin sehr froh, dass wir das Spiel gewonnen haben. Jetzt können wir etwas gelöster in die nächsten Spiele gehen, was bei dieser Hitze sicherlich kein Nachteil ist“, sagte der 24-Jährige. Portugal an diesem Freitag (12 Uhr) und Brasilien am Samstag (10.20 Uhr) sind die weiteren Gegner der deutschen Männer – und das Einzige, wofür sich ihr Torhüter interessiert. „Wir sind nicht für das Erlebnis da, sondern für das Ergebnis!“ Das klingt vielversprechend.