World Games

Flugshows auf dem Sencha Lake bringen Gold, Silber und Bronze

Das deutsche Cable-Wakeboard-Team räumt bei den World Games in China ab. Julia Rick hält dem Druck des Gewinnenmüssens stand, die besten Freunde Max Milde und Florian Weiherer freuen sich über ein gemeinsames Date auf dem Podium.

5 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 10. August 2025

Cable Wakeboard erstmals seit 2005 wieder im Programm

Der Mauersegler gilt als der eleganteste Flieger unter den Vögeln, sein Stil ist erhaben, er kann ewig in der Luft bleiben. Als Julia Rick am Sonntagmittag in der Sancha Lake Taohuadao Arena in Chengdu ihren zweiten Lauf im Cable Wakeboard aufs Wasser zauberte, musste man als staunender Beobachter zwangsläufig an den Mauersegler denken. Die Goldmedaille hatte die 32-Jährige vom CWBS Brühl schon sicher, keine ihrer fünf Finalkonkurrentinnen war an ihre Punktzahl aus dem ersten Run herangekommen. Aber anstatt eine lockere Ehrenrunde zu drehen, gab die 13-fache Weltmeisterin noch einmal eine Kostprobe ihres gesamten Könnens, legte im Vergleich zum ersten Lauf noch drei Punkte drauf und gewann mit 86,40 Zählern und damit acht Punkten Vorsprung auf die Italienerin Vanessa Tittarelli und 12,60 auf die amtierende Weltmeisterin Sanne Meijer (Niederlande/73,80) Gold.

„Diese Medaille bedeutet mir mega viel. Es war immer mein Traum, bei den World Games Gold zu holen, und als es klar war und ich meinen Namen über die Lautsprecher hörte, habe ich fast geweint“, sagte sie. Warum dieser Triumph so besonders war für die Frau, die schon länger als weltbeste Athletin ihres Sports gilt und diverse Rekorde aufgestellt hat, wird klar, wenn man weiß, dass Cable Wakeboard zuletzt 2005 in Duisburg im Programm der Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten Platz gefunden hatte. „Deshalb wusste ich, dass ich diese Chance nutzen musste. Ich wollte hier nicht Zweite werden, habe mir dadurch selbst großen Druck gemacht“, sagte sie.

Langes Warten bringt Julia Rick zum Frieren

Dazu kam, dass Julia Rick auf ihren ersten Lauf ungewohnt lange warten musste. Wegen eines Platzregens, der am Sonntag über den gesamten Tag verteilt die 20-Millionen-Einwohner-Metropole in der südchinesischen Provinz Szechuan teils unter Wasser setzte, wurde der Wettkampf nach den ersten fünf Starterinnen unterbrochen. Beim einem Wasser-Actionsport wie dem Cable Wakeboard, bei dem die Athlet*innen von einer Seilbahn durch einen Parcours gezogen werden und dabei Tricksprünge ausführen, die vom Kampfgericht bewertet werden, sollte Wasser auch von oben kein Problem sein, denkt der Laie. Ist es aber. „Wassertropfen brechen die Wellen, die Oberfläche wird dadurch glatter, was die Sprünge erschwert. Außerdem können Tropfen ins Auge kommen, dann sieht man schlechter“, erklärte Sven Leichsenring, Sportdirektor des Deutschen Wasserski- und Wakeboard Verbands (DWWV).

„Die Wartezeit war krass, ich war nervös, weil die anderen alle schon eine Wertung hatten. Außerdem habe ich gefroren“, sagte die Sportsoldatin, was bei einer Außentemperatur von 28 Grad kaum zu glauben war. Aber da sie häufig in Bangkok trainiert, ist Julia Rick eher die Hitze von mehr als 35 Grad im Schatten gewohnt, die während der Qualifikation am Freitag und dem Halbfinale am Samstag in Chengdu geherrscht hatte. Letztlich war jedoch alle Aufregung grundlos, mit ihrer Leistung in beiden Läufen war die gebürtige Hürtherin der Konkurrenz weit enteilt und wurde dafür von ihren Eltern geherzt, die die Reise nach China mitgemacht hatten.

Julia Rick spielte Fußball in der Zweiten Liga beim 1. FC Köln

Die Goldmedaille ist für Julia Rick nicht nur die Erfüllung eines Traums, sondern auch eine späte Bestätigung dafür, dass sie im Alter von 17 Jahren die richtige Entscheidung getroffen hat, als sie sich gegen eine Karriere im Fußball und für das Wakeboarden entschied. „Ich habe damals in der Zweiten Liga für den 1. FC Köln gespielt, aber als ich Wakeboarden das erste Mal ausprobiert hatte, wusste ich, dass ich noch nie etwas mit einer solchen Leidenschaft gemacht habe“, sagte sie. Zu sehen, dass Frauen im Fußball heute auch gutes Geld verdienen können, erfülle sie auch im Nachhinein nicht mit dem Gefühl, damals falsch abgebogen zu sein. „Der finanzielle Aspekt hat nie den Ausschlag gegeben, ich wollte immer das machen, was mir am meisten Spaß bringt. Jetzt mit dieser World-Games-Medaille dazustehen, zeigt mir, dass die Entscheidung absolut richtig war“, sagte sie.

Das bestätigte auch Adrian Abeck. Der für Cable Wakeboard zuständige Bundestrainer kennt seine Vorzeigeathletin seit 15 Jahren, die beiden sind Jahrgang 1993. Abeck, der nahe Bremen den Wake Garden Oyten – eine von rund 100 Seilbahnen in Deutschland – betreibt, trat noch als Athlet gemeinsam mit ihr bei internationalen Rennen an. „Julia ist eine Einzelsportlerin, sie ist gern allein für ihren Erfolg und Misserfolg verantwortlich. Ich freue mich unglaublich für sie und darüber, dass sie hier so abgeliefert hat“, sagte er. Und Julia Ricks Goldmedaille blieb nicht das einzige Edelmetall für den DWWV, mit etwas mehr als 3000 Aktiven in 54 Vereinen ein kleiner, aber seit Sonntag durchaus erfolgreicher Verband. Im Finale der Männer mussten sich Max Milde (23/WSC Rheinhausen) und Florian Weiherer (24/Allgemeiner Deutscher Wakeboardclub) nur dem französischen Weltmeister Loic Deschaux geschlagen geben, der im zweiten Lauf komplett eskalierte und 95 von 100 möglichen Punkten zugesprochen bekam.

Vom Effzeh zur weltbesten Wakeboarderin

Wakeboard hofft für 2032 auf Aufnahme ins Olympiaprogramm

Damit lag er 30 Punkte vor Vizeweltmeister Weiherer, aber nur 2,2 vor Europameister Milde – der nach Lauf eins noch geführt hatte, sich allerdings über die knapp eingebüßte Goldmedaille überhaupt nicht ärgerte. „Das Wichtigste für mich ist, dass ich gemeinsam mit dem Flo auf dem Podest stehen kann. Wir sind beste Freunde, mehr als Brüder, wir machen im Sport alles zusammen, ich telefoniere mehr mit ihm als mit meiner Freundin“, sagte der Duisburger. Der Münchner Weiherer stimmte seinem Best Buddy zu. „Es ist unfassbar und kaum zu beschreiben. Es gibt nichts Besseres, als mit Max gemeinsam eine Medaille zu holen. Bei einer EM haben wir das schon einmal geschafft, aber bei den World Games ist es eine ganz andere Geschichte“, sagte er.

Vor allem, weil mit Edelmetall noch vor wenigen Tagen kaum zu rechnen gewesen war. „Wir hatten im Training große Probleme, weil die Anlage ungewohnt war und wir kaum Zeit hatten, uns darauf einzustellen“, sagte Max Milde. Die aus Deutschland importierte Seilbahn ist die erste für Cable Wakeboard – nicht nur in Chengdu, sondern in ganz China. Sie ist deutlich höher als gewöhnliche Anlagen, dadurch wirken andere Kräfte auf die Körper der Athlet*innen. „Am Ende sind wir einfach nur glücklich, dass alles so gut geklappt hat“, freuten sich die beiden Freunde. Sportdirektor Leichsenring sagte: „Für uns als Verband war das Abschneiden top. Eine Medaille war die Vorgabe, nun haben wir einen ganzen Satz. Hut ab vor den Leistungen des gesamten Teams.“

Julia Rick konnte mit Blick auf die Gesamtleistung des Teams nicht anders, als Euphorie zu verbreiten. „Deutschland ist eine Cable-Wakeboard-Nation. Wir müssen unseren Sport weiter pushen, dann haben wir vielleicht die Chance, schon 2032 in Brisbane ins Olympiaprogramm zu rutschen. Wir sind genauso spannend wie Snowboard oder Skateboard“, sagte sie. Ob sie in sieben Jahren noch an den Start gehen würde, ist sehr fraglich, die World Games 2029 in Karlsruhe traut sie sich aber auf jeden Fall noch zu. „Ich bin mit 32 so fit wie nie, wenn das so bleibt, hätte ich schon Lust, dann noch einmal anzutreten“, sagte sie. Sollte passen: Mauersegler können locker mehr als 20 Jahre alt werden.