World Games

Der Traum vom Doppel-Gold im Kanupolo lebt weiter

Die beiden deutschen Teams gewinnen ihre Viertelfinalspiele – die Männer souverän, die Frauen nach Golden Goal. Während die Männer die Rolle als Topfavorit annehmen, wäre der Titel für die Frauen eine Überraschung.

4 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 15. August 2025

Kapitän Vieren ärgert sich über die zwei Gegentore

Zuversicht ausstrahlen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben, Ansprüche zu formulieren, ohne dabei überheblich zu wirken: All das, was in der Sportpsychologie als Zeichen von Stärke interpretiert wird, verkörperte Jonas Vieren am Freitagmittag im Jianyang Cultural and Sports Centre Natatorium in Chengdu. Der 35-Jährige von den Wassersportfreunden Liblar ist Kapitän der deutschen Kanupolo-Männer, und weil diese seit der Ausgabe 2013 in Cali (Kolumbien) bei World Games ungeschlagen und zudem amtierender Weltmeister sind, müssen sie mit der Erwartung umgehen, dass in China für sie nichts anderes als Gold zählt. „Besonderen Druck erzeugt das bei uns nicht. Das Bewusstsein, hier als Topfavorit anzutreten, ist bei uns allen vorhanden. Aber wir wissen damit umzugehen und haben Spaß daran“, sagte Vieren nach dem 5:2-Erfolg im Viertelfinale gegen Polen, der zumindest schon einmal die Tür zu einem weiteren Medaillengewinn weit aufstieß.

Verdient war der Sieg, zu dem Tim Riecke (26/1. MKC Duisburg), René Kirchhoff (26/KSVH Berlin), Leon Konrad (27/KRM Essen), Arne Linus Beckmann (26/KSVH Berlin) und Vieren die Tore beitrugen, ohne Frage. Vor allem die ersten fünf Minuten ließen Björn Zirotzki keinen Raum für Kritik. „Wir sind wirklich sehr gut ins Spiel gekommen“, sagte der Bundestrainer, „danach haben wir in manchen Phasen ein wenig unsere Linie verloren und uns mit zu vielen Dingen wie zum Beispiel Schiedsrichterentscheidungen befasst, mit denen wir uns nicht befassen wollten. Aber grundsätzlich bin ich sehr zufrieden damit, dass wir das Halbfinale erreicht haben“, sagte er. Wie ehrgeizig der Titelverteidiger tatsächlich ist, zeigten die Aussagen von Kapitän Vieren, der sich über die zwei Gegentore sehr ärgerte. „Das fuchst uns alle ziemlich, denn die Defensive ist das, wovon wir leben, da kann kaum ein anderes Team mithalten. Wir werden uns vor dem Halbfinale noch einmal genau anschauen, was wir besser machen müssen“, sagte er.

Gegen die Briten gab es im Gruppenspiel ein 2:1

Es ist diese Besessenheit vom Erfolgsdenken, die die deutsche Mannschaft auszeichnet. „Bei uns hat jeder unglaublich Bock aufs Gewinnen“, sagte Jonas Vieren. Entscheidend sei aber, neben der defensiven Stärke, die Disziplin, mit der die Truppe als Einheit agiere. „Einer, der nur sein eigenes Ding machen will, wird in unserer Mannschaft nicht Fuß fassen“, sagte der Kapitän. Bundestrainer Zirotzki sagte: „Wir sind uns unserer Rolle bewusst. Wir können hier nicht herfahren und nur eine Medaille als Ziel ausgeben. Aber dem stellen wir uns und wollen am Samstag noch zwei Siege schaffen. Dennoch warne ich davor, dass uns noch einmal andere Kaliber an Gegnern erwarten.“

Im Halbfinale wartet am Samstag (7.40 Uhr, alle Zeiten MEZ) mit Großbritannien ein Kontrahent, gegen den sich die Deutschen beim 2:1 in der Gruppenphase schwer taten. Die Briten setzten sich gegen Vizeweltmeister Frankreich mit 4:3 nach Golden Goal durch. Im zweiten Halbfinale treffen um 8.20 Uhr Dänemark (4:0 gegen China) und Italien (5:3 gegen Spanien) aufeinander. „Die Briten spielen sehr diszipliniert und robust, das haben wir im Gruppenspiel erlebt. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den Erfolg wiederholen können“, sagte Jonas Vieren, „aber wir haben vor jedem Gegner Respekt und erwarten zwei sehr enge Halbfinalspiele.“

Deutsche Frauen trafen fünfmal das Torgestänge

Damit der Traum vom Doppeltriumph am Leben bleiben konnte, hatten die deutschen Frauen am Vormittag einen Kraftakt zu überstehen. Trotz teils drückender Überlegenheit lag die Mannschaft von Bundestrainer Mirko Günther gegen ein extrem diszipliniert verteidigendes dänisches Team mit 1:2 zurück, als Jill Rutzen 1:15 Minuten vor Spielende zum Penalty antrat – und mit Entschlossenheit ins obere linke Tordreieck einnetzte. „Ich nehme gern die Verantwortung auf mich. Ich gucke einmal das Tor an, dann den Schiri, und dann haue ich das Ding einfach rein“, erklärte die 24-Jährige vom KRM Essen, die auch das 1:0 erzielt hatte, ihr einleuchtendes Erfolgsgeheimnis.

Mit dem 2:2 ging es in die Verlängerung, in der im Kanupolo so lange in Fünf-Minuten-Abschnitten gespielt wird, bis einem Team das Golden Goal gelingt. Am Freitag war dies die deutsche Mannschaft, für die Kathi Grünewald (21/1. MKC Duisburg) 1:22 Minuten vor Ablauf der zweiten Overtime das erlösende Tor warf. Als die Spielerinnen schließlich tropfnass, aber glücklich in der Mixedzone standen, fiel die Einordnung der Leistung einhellig aus: Fehlende Konsequenz gepaart mit Pech im Abschluss, das sich in fünf Stangentreffern zeigte, hatte die Partie unnötig in die Länge gezogen. „Wir müssen das Ding vor der Verlängerung entscheiden. Uns hat im Spielaufbau und im Abschluss die letzte Konsequenz gefehlt, wir haben auch einige falsche Entscheidungen getroffen. Aber das bringen solche K.-o.-Spiele manchmal mit sich“, sagte Coach Günther.

Vorgabe des Trainers: Medaille muss der Anspruch sein

Mit Blick auf das Halbfinale, in dem es am Samstag (6.20 Uhr) gegen Vizeweltmeister Italien (bezwang den Iran mit 5:2) geht, bemühte Torjägerin Rutzen eine altbekannte Sportweisheit: „Wenn wir eine Medaille wollen, müssen wir jetzt jeden Gegner wegfegen“, sagte sie. Dazu muss der WM-Fünfte von 2024 sicherlich an seiner Entscheidungsfreudigkeit und Zielstrebigkeit arbeiten. Der Charakter der Mannschaft, sagte Matchwinnerin Grünewald, sei dafür wie gemacht. „Wir sind ein geiles Team, das nie aufhört zu kämpfen. Wenn wir jetzt noch etwas mehr das umsetzen, was der Trainer uns vorgibt, dann kann uns hier keiner was.“ Die Vorgabe von Mirko Günther war am Freitag in ihrer Deutlichkeit unmissverständlich. „Mit dem Halbfinaleinzug ist allen ein Riesenstein vom Herzen gefallen. Das gibt uns positiven Rückenwind. Eine Medaille muss jetzt unser Anspruch sein!“

Das zweite Halbfinale bestreiten am Samstag (7 Uhr) der WM-Dritte Niederlande, der China mit 19:1 deklassierte, und Weltmeister Neuseeland, der Spanien 3:2 niederrang. Am Samstagabend stehen dann die Medaillenspiele an. Um Bronze geht bei den Frauen um 12 Uhr, bei den Männern um 12.40 Uhr. Gold wird bei den Frauen um 13.20 Uhr ausgespielt, die Männer bilden dann um 14 Uhr (alle Spiele im Stream bei live.theworldgames.org) den Abschluss des Turniers. Aus deutscher Sicht darf man hoffen, dass es ein goldener Abschluss wird.