Die DHB-Frauen treffen im WM-Viertelfinale auf Brasilien. Die Lust ist riesig, der Druck auch.
Samba und Viertelfinal-Lust
Dortmund (SID) Samba tanzten sie (noch) nicht. Doch Deutschlands Handballerinnen hatten beim Abschlusstraining vor ihrem Viertelfinal-Showdown gegen Brasilien sichtlich Spaß. Katharina Filter und Emily Vogel zeigten beim lockeren Warmmach-Kick ihre Fußballkünste, Bundestrainer Markus Gaugisch versorgte Kapitänin Antje Döll und Xenia Smits mit zuckerfreien Kaugummis.
"Ein Viertelfinale spielt jeder, um es zu gewinnen. Da will jeder am Ende Samba tanzen", sagte Rückraumspielerin Smits vor dem laut Verband "größten Heimspiel für den deutschen Frauenhandball seit der Heim-WM 1997" am Dienstag (17.15 Uhr/ZDF) gegen Brasilien: "Wir Deutschen sind nicht so gut in Samba, aber wenn wir gut Handball spielen, schauen wir mal, was in der Kabine an Samba-Moves möglich ist."
Großer Druck
So unverstellt und angenehm unaufgeregt die deutschen Spielerinnen die Partie nach ihrer bislang makellosen WM-Bilanz auch angehen, der Druck ist maximal: Denn das Do-or-Die-Spiel am Dienstag in Dortmund ist seit Monaten der Fixpunkt der deutschen WM-Kampagne. Über 10.000 Zuschauer werden die Westfalenhalle in ein Tollhaus verwandeln, Millionen vor den TV-Schirmen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sorgen für maximale Sichtbarkeit: Auf größtmöglicher Bühne soll es nicht weniger als zu einer Art Erweckungserlebnis für den deutschen Frauenhandball kommen.
Nicht umsonst sind auch im sportlichen Bereich sämtliche Planungen und Gedankenspiele auf dieses K.o.-Spiel ausgelegt, Coach Gaugisch mahnte bereits vor dem Turnier bei nahezu jeder Gelegenheit für genau diese 60 Minuten eine "maximale Leistung" an, um den großen Traum von der ersten Medaille seit WM-Bronze 2007 zu leben. "Brasilien ist eine Mannschaft mit hoher Qualität und vielen erfahrenen Spielerinnen, die auch mit der Kulisse umgehen können", warnte Gaugisch am Montag. Von der 14:33-Klatsche für Brasilien zum Hauptrundenabschluss gegen Norwegen will sich beim DHB keiner blenden lassen.
Top Vier im Visier
Nach sieben Turnieren, die allesamt zwischen Platz sechs und acht endeten, will die Nationalmannschaft endlich raus aus dem Schatten. Raus aus der Nische. Rein in die breite Öffentlichkeit. Rein in die Top Vier. Die wundersame WM-Reise der DHB-Frauen soll weitergehen, das Finalwochenende in Rotterdam ist auf der Road Map dick und fett vermerkt.
Ein Top-Team im Wachstum
Eine, die dem deutschen Team genau das sportlich zutraut, ist Grit Jurack. Die Rekordnationalspielerin glaubt fest an das viel zitierte Weihnachtsmärchen ihrer Erben. "Ich traue der Mannschaft absolut zu, in unsere Fußstapfen von 2007 zu treten", sagte die ehemalige DHB-Kapitänin dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Vor allem aufgrund ihrer Breite. Wir hatten damals wirklich neun Top-Spielerinnen, dahinter aber nicht mehr viel. Heute verfügt das Team über viel Auslandserfahrung und auch Champions-League-Erfahrung. Das wird helfen, dem Druck standzuhalten."
Jurack, die das DHB-Team als WM-Torschützenkönigin vor 18 Jahren zu Bronze und ein Jahr später zur letzten Halbfinal-Teilnahme bei einem großen Turnier geworfen hatte, warnt aber davor, das Viertelfinale auf die leichte Schulter zu nehmen. "Es besteht die Gefahr, dass es nach einer geilen Vor- und Hauptrunde jetzt ganz schnell zu Ende sein könnte", sagte die 306-malige Nationalspielerin: "Jetzt, wenn es richtig losgeht, zeigt sich, ob die Mannschaft im Vergleich zu den letzten Jahren gewachsen und auch zusammengewachsen ist."
Medaille möglich
In ihren bisherigen sechs WM-Spielen sei die deutsche Mannschaft nicht zu 100 Prozent gefordert worden "und musste nicht an ihre Grenze gehen. Jetzt geht es los - und genau das ist die Gefahr bei einem so aufgeblähten Turnier", sagte Jurack: "Mit Brasilien kommt jetzt ein richtiges Brett. Die Brasilianerinnen spielen anders, sie sind physisch sehr stark und spielen körperbetont." Dennoch ist sich Jurack sicher: "Mein Tipp ist, dass Deutschland unter die Top-Vier kommt. Und wenn sie eine Medaille holen sollten, wäre das wie ein WM-Titel."