
Tatjana Maria hat völlig überraschend das Rasenturnier im Londoner Queen's Club gewonnen. In dieser Form fährt die 37-Jährige als Geheimfavoritin nach Wimbledon.
Ich habe jede Sekunde genossen
Boris Becker, Michael Stich - und nun: Tatjana Maria. Die 37-Jährige aus Bad Saulgau hat ihren sensationellen Lauf im Londoner Queen's Club mit dem Titel gekrönt. Zum Ende einer Traumwoche gewann sie das Finale gegen Amanda Anisimova aus den USA mit 6:3, 6:4 und feierte auf den traditionsreichen Rasenplätzen in West Kensington den größten Erfolg ihrer Karriere.
Ungläubig schlug sie nach dem Matchball die Hände vors Gesicht, sprang über den Platz und fiel ihrem Mann Charles-Edouard und Tochter Charlotte um den Hals. "Queen of Queen's", schrieb Maria auf die Linse der TV-Kamera. "Es war so ein großartiges Turnier, ich habe jede Sekunde genossen, es war eine große Freude, hier zu spielen", sagte Maria und dankte ihrer Familie im Publikum.
Geheimfavoritin auf dem Rasen
Zum Grand-Slam-Höhepunkt in Wimbledon (ab 30. Juni) fährt Maria nun als Geheimfavoritin. 2022 hatte sie an der Church Road bereits das Halbfinale erreicht, wenige Kilometer davon entfernt stellte sie nun wieder ihr besonderes Gespür für Gras unter Beweis.
Nach Gottfried von Cramm (1939), Becker (1985, 1987, 1988 und 1996) und Stich (1993) triumphierte damit erstmals eine deutsche Spielerin im Queen's Club. Der war in den vergangenen 52 Jahren den Männern vorbehalten gewesen, in diesem Jahr feierte die Frauenkonkurrenz ihr Comeback - mit einer unerwarteten Siegerin.
Marias unkonventioneller Slice
Für Maria, die sich durch die Qualifikation kämpfen musste, ist es der vierte Titel, zuvor hatte sie 2018 das Rasenturnier von Mallorca sowie 2022 und 2023 auf Sand in Bogota/Kolumbien gewonnen. Durch den Erfolg klettert Maria in der Weltrangliste auf Platz 43, nicht weit entfernt von ihrer bisherigen Bestmarke (42). Zudem kassierte sie 218.000 Dollar Preisgeld für die Familienkasse.
Mit ihrem unkonventionell geschlagenen Slice - auf der Vorhand- und Rückhandseite - hatte Maria, die mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in Florida lebt, vor Anisimova bereits etliche Topspielerinnen entnervt: Im Turnierverlauf schlug sie die früheren Grand-Slam-Finalistinnen Leylah Fernandez (Kanada) und Karolina Muchova (Tschechien) sowie die Grand-Slam-Siegerinnen Jelena Rybakina (Kasachstan) und Madison Keys (USA).
Das magische 10. Spiel
Dabei war sie mit einer Pleitenserie nach London gekommen. Neun Matches nacheinander verlor Maria, die Hoffnung auf die Wende aber nie. "Ich lebe diesen Traum mit meiner Familie", hatte sie schon vor dem Finale gesagt. Ihr Lauf sei "ein perfektes Beispiel dafür, dass man nie aufgeben und immer weitermachen sollte."
Diese Einstellung gibt Maria weiter - und vor allem ihre ältere Tochter Charlotte schaut sich viel ab. Die Elfjährige gilt als Talent, steht dank ihrer erfolgreichen Mutter ab und an bereits mit den ganz Großen der Profitour auf dem Platz. "Ich würde gerne mit ihr Doppel spielen, aber nicht gegen sie", sagte Maria zuletzt.