World Games

Doppel-Erfolg für Team Deutschland im Para Ju-Jutsu

Nike Hünecke und Julia Paszkiewicz triumphieren im Para Duo (Visual) und sichern sich nach ihrem WM-Titel 2024 nun auch den World-Games-Gold. Christine Jahn und Alessandro Schober glänzen im Para Duo (Physical) mit Silber.

3 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 12. August 2025

„Eiskunstlaufen der Kampfsportarten“

Man könnte die Wettkämpfe im Ju-Jutsu Duo als das „Eiskunstlaufen der Kampfsportarten“ beschreiben. Mit einer vorgeschriebenen Choreografie zeigen die Athlet*innen bestimmte Verteidigungs- und Wurftechniken, die von den Kampfrichtern nach technischer Perfektion, Sauberkeit, Dynamik und Ausdruck bewertet werden.

Im Para Duo hat eine/r der Partner*innen eine oder mehrere Behinderungen, die in drei Kategorien eingeteilt werden: physische, geistige und Seh-Behinderungen. Team Deutschland ist in Chengdu mit zwei Duos vertreten, die jeweils über eine Medaille jubeln durften.

„Einfach unbeschreiblich. Ich habe keine Worte dafür“

Nike Hünecke(19) und Julia Paszkiewicz (28, SV Niederroth) starteten in der Kategorie Para Duo Visual. Bereits vor 13 Jahren legte Nike beim MTV Rottorf mit dem Ju-Jutsu los, erlitt dann im Laufe ihrer Jugend eine unklare Minderung der Sehschärfe, sodass der Sport, wie sie ihn bisher betrieb, zu gefährlich wurde. Aktuell liegt ihre Sehkraft bei unter zehn Prozent, an manchen Tagen sogar nur bei zwei Prozent. „Aber Aufgeben war nie eine Option für mich.“ Für ihren sportlichen Erfolg stellte sie vieles hinten an – das Abitur musste verschoben werden, die Abifeier fiel wegen der Vorbereitungen auf die World Games aus. Der Fokus macht sich bezahlt. Nach dem Weltmeistertitel im vergangenen Jahr folgte nun Gold bei den World Games. „Es ist alles aufgegangen. Nike hat ein super Turnier gezeigt und genau das abgerufen, was wir trainiert haben“, sagte Paszkiewicz nach dem Finalerfolg, den die beiden bereits auf der Matte emotional feierten. „Einfach unbeschreiblich. Ich habe keine Worte dafür“, ergänzte Hünecke, sichtlich erschöpft und überglücklich.

Bereits in der Vorrunde setzten die beiden mit 87,0 Punkten die Bestmarke des gesamten Teilnehmerfeldes. Im Halbfinale bezwangen sie das rumänische Duo Belean/Szanto souverän mit 151,0 Punkten und krönten ihre starke Leistung schließlich im Finale mit einem 149,0:143,0-Sieg gegen die chinesischen Gastgeber Pan/Wang.

Um Fairness und Chancengleichheit zu gewährleisten, tragen die Athlet*innen mit Sehbeeinträchtigung eine Augenbinde. Die sehbeeinträchtigte Partnerin muss dabei einen Angriff abwehren und sich mit einem Wurf und einer Abschlusstechnik verteidigen.

Trainingsorte über 1.000 Kilometer auseinander

Dass sich die beiden gefunden haben, war nicht selbstverständlich: Julia bringt als klassische Ju-Jutsu-Athletin viel Erfahrung mit. 2017 gewann die Freisingerin die Silbermedaille in der Disziplin Duo Mixed und im Team-Wettkampf. 2022 wurden sie im Duo Vierte, mit der Mannschaft gab es Silber. Allerdings liegen ihre Trainingsorte über 1.000 Kilometer auseinander. Kein Problem für die beiden: Nike fährt alle zwei Wochen zu Julia nach Bayern, da die Trainingsanlagen dort bessere Bedingungen bieten. Training und gemeinsame Abstimmung sind essenziell, denn der Kampf im Duo lebt von Vertrauen. „Nike sieht im Wettkampf nichts, wenn ich zu fest schlage, kann das richtig weh tun.“ Größere Unfälle gab es bisher nicht, nur beim Aufwärmen bei der WM im letzten Jahr hat Nike einmal einen Tritt abbekommen: „Da war die Luft kurz weg, seitdem bin ich vorsichtiger und wachsam.“

Bei den World Games wird Inklusion gelebt

Bei den World Games wird der inklusive Gedanke gelebt. Neben Para Ju-Jutsu war auch Para Freediving als zweite Para-Sportart in Chengdu vertreten. Allerdings ohne deutsche Beteiligung. Die deutsche Rollstuhlrugby-Mannschaft wäre jedoch liebend gerne nach China gereits.  Vier Jahre zuvor in Birmingham (USA) wurde mit ihrem Rollstuhlsport erstmals eine Para-Sportart ins offizielle Programm der World Games aufgenommen – ein historischer Schritt in Richtung Integration. Dieses Jahr musste Rollstuhlrugby allerdings aus dem Programm genommen werden, da zu wenige Nationen ihre Teilnahme anmeldeten. Das zeigt, dass es noch viel zu tun gibt, um Para-Athlet*innen neben den Paralympischen Spielen auch Teil großer Multisportveranstaltungen werden zu lassen.

Das deutsche Para Ju-Jutsu-Team wünscht sich eine weiterhin wachsende Integration: „Ich finde es mega gut, dass bei den World Games Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen am Start sind, weil dadurch Inklusion wirklich gelebt wird“, sagt Paszkiewicz. „Aber wenn es irgendwann so groß wird, dass man eigene Para World Games ausrichten könnte, wäre das auch ein starkes Statement für den Para-Sport“, ergänzt sie.

Die beiden sind dabei nicht nur Vorreiterinnen für Menschen mit Behinderungen in ihrer Sportart, sondern als einziges reines Frauen-Duo im Para Duo (Visual) möchten sie auch ein Vorbild für andere Frauen sein. Das die World Games das Programm gelockert haben und Frauen auch gegen Männer antreten können, begrüßen sie daher und sehen es auch als größe Chance für die Gesellschaft: „Sport spielt eine zentrale Rolle für Inklusion. Für viele ist er Motivation und bringt soziale Kontakte. Menschen machen gemeinsam Sport. Die World Games sind für Inklusion eine riesige Chance, weil alle davon profitieren,“ sagte Julia und Rike wiederholte nochmal: „Inklusion wird hier gelebt und wir leben es einfach mit!“

Nike und Julia im Interview