
In 50 Tagen starten die World Games in China. Deutschlands erfolgreichster Rettungsschwimmer hat sich für seine letzten Spiele einen lang ersehnten Staffelsieg vorgenommen. Vor allem aber will er eins: genießen.
China wird riesig
Eigentlich wollte er ja gar nicht mehr dabei sein. Aber jetzt, da in 50 Tagen die World Games in Chengdu (7. bis 17. August) eröffnet werden, kann sich Danny Wieck der Vorfreude kaum erwehren. „China wird riesig“, sagt der 33-Jährige, und das breite Strahlen, das sich bei den meisten seiner Antworten über sein Gesicht legt, wird gleich noch ein wenig breiter. Es ist der Moment, in dem deutlich wird, dass es dem Mann, der in seinem Sport alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, zumindest an einem nicht fehlen wird: Motivation. „Es sind meine letzten Spiele, die möchte ich vor allem genießen. Aber ich möchte auch die Hymne nochmal hören. Ganz ohne Druck geht es nicht“, sagt er.
Danny Wieck, geboren und aufgewachsen in Stralsund und seit einigen Jahren im hessischen Niedernhausen ansässig, ist Rettungsschwimmer. Aber nicht irgendeiner, sondern die Legende seines Sports in Deutschland. Das hört er zwar nicht gern, weil er nicht gern im Mittelpunkt steht. Was allerdings schwierig ist. Nicht nur, weil er eine Figur hat, die vermuten lässt, dass er zu lange mit Obelix gemeinsam im Fass mit dem Zaubertrank geplantscht hat. Sondern auch, weil es nichts gibt, was Danny Wieck nicht gewonnen hat. Neun Goldmedaillen bei den World Games, den Weltspielen der nicht-olympischen Sportarten, hat er eingesammelt, er war Weltmeister, hat Weltrekorde aufgestellt und hält diese in den Staffeln noch immer. „Wenn ich für andere ein Vorbild sein kann, nehme ich diese Rolle gern an. Ich gebe auch meinen Rat, wenn er gefragt ist. Aber ich nehme mich selbst nicht so wichtig“, sagt er.
Das "Retter-Gen"
Viel wichtiger ist ihm, anderen Menschen zu helfen. Das unterstreicht nicht nur die Leidenschaft fürs Rettungsschwimmen, sondern auch seine Berufswahl. Nachdem er 2016 freiwillig aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Warendorf ausgeschieden war, wollte Danny Wieck zur Polizei, kam aber über einen Freund mit der Berufsfeuerwehr in Wiesbaden in Kontakt. „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Jeder Tag, jeder Einsatz ist anders. Ich habe immer etwas gesucht, wo ich sportlich aktiv bleibe und anderen helfen kann. Die Feuerwehr ist mein Traumjob“, sagt er. 48 Wochenstunden leistet er in Vollzeit neben dem kraftraubenden Training, das rund 20 Stunden pro Woche verschlingt. „Und wenn dann noch Zeit bleibt, arbeite ich auch noch im Rettungsdienst in lokalen Freibädern für die DLRG“, sagt er.
Warum er dieses „Retter-Gen“ in sich trägt, kann er nicht genau benennen. „Ich bin damit aufgewachsen, anderen Menschen zu helfen“, sagt er. Schon als Teenager war er an der Ostseeküste im Rettungsdienst tätig. 2009 absolvierte er eine Ausbildung als Fachkraft im Bäderdienst. Doch die Leidenschaft für den Sport war so groß, dass er 2013 in die Bundeswehr eintrat, um sich komplett auf das Rettungsschwimmen konzentrieren zu können. Es folgten im selben Jahr bei seiner World-Games-Premiere in Cali (Kolumbien) die ersten Goldmedaillen mit der 4-x-25-Meter-Puppenstaffel und der 4-x-50-Meter-Hindernisstaffel. „Von da an wusste ich, dass ich einiges erreichen kann!“
Aus dem Ruhestand zurück für Gold
Seine Rolle veränderte sich über die Jahre, vom Jäger wurde er 2017 in Breslau (Polen) und 2022 in Birmingham (USA) zum Gejagten. „Ich war lange der unangefochtene Favorit“, sagt er, „nun ist mein Einzel-Weltrekord gebrochen worden, aber das stört mich nicht so. Ich mache mir keinen Druck mehr.“ Dennoch hat er, um neue Reize zu setzen, nach den Spielen 2022 noch einmal den Trainer gewechselt, ist von seinem Erfolgscoach Oliver Grossmann zum Spanier Xavier Abalos Cuevas gewechselt, der mehr auf Sprinttraining baut. In Chengdu tritt er folgerichtig im Einzel nur noch im Manikin Carry (Puppenretten) über 50 Meter an. Das Hauptaugenmerk liegt auf der 4-x-50-Meter-Lagenstaffel, mit der er 2017 und 2022 jeweils Bronze bei den World Games holte. „Wir sind alle vier aus dem Ruhestand zurückgekommen, um dieses Gold zu holen, das uns noch fehlt“, sagt er.
Für sein Vermächtnis braucht es diese Medaille nicht, seine Bedeutung für das Rettungsschwimmen fasst DLRG-Sportdirektor Kai Schirmer treffend in Worte: „Mit 33 Jahren und seinem herausfordernden Job die vierten World Games zu erleben, das ist eine Leistung, die dem Nachwuchs als Lehrstück für intrinsische Motivation dienen kann. Damit kann Danny ein Vorbild für den gesamten nicht-olympischen Sport in Deutschland sein.“ In Australien, dem Mutterland des Rettungsschwimmens, wäre Danny Wieck ein gemachter Mann, zu dem die Gesellschaft aufschauen würde. In Deutschland ist er abseits seines Sports nahezu unbekannt und braucht, um sein gewonnenes Preisgeld zu verwalten, mitnichten eien Vermögensberater. Grämen tut ihn das kaum. „Es ist ein riesiges Privileg, durch den Sport Länder wie China bereisen zu dürfen. Darüber freue ich mich sehr“, sagt er.
World Games 2029 in Deutschland - sein Ziel?
Momente wie den vor drei Jahren, als er in Birmingham das deutsche Team als Fahnenträger anführte, kann ihm niemand nehmen. Und die generelle Entwicklung des nicht-olympischen Sports gehe in die richtige Richtung. „2013 haben wir, überspitzt gesagt, ein Poloshirt und ein Paar Socken bekommen, jetzt haben wir ein Einkleidungsevent im DOSB und erhalten viel mehr Aufmerksamkeit. Das ist eine richtig gute Entwicklung“, sagt er. Und 2029, wenn Karlsruhe die nächste Ausgabe der World Games ausrichtet, hofft er auf einen weiteren Schub im öffentlichen Interesse. Er selbst will dann nicht mehr als Aktiver dabei sein, zumindest ist das der aktuelle Stand. „Aber das habe ich nach Birmingham auch gesagt, und jetzt steht Chengdu vor der Tür. Ich schaue von Jahr zu Jahr, aber ich kann mir momentan nicht vorstellen, noch vier Jahre weiter durchzutrainieren. Das würde auch meine Freundin nicht mitmachen.“
Sein Plan ist, im Oktober noch mit seinem Team von der SG EWR Rheinhessen Mainz bei den deutschen Meisterschaften im „normalen“ Schwimmen anzutreten. Danach kann er sich beratende Tätigkeiten beim Nationalteam vorstellen, er will weiterhin im Rettungsdienst der DLRG aktiv bleiben. „Wenn meine Hilfe gebraucht wird, gebe ich sie weiterhin gern“, sagt Danny Wieck. Die Karriere im Leistungssport mag endlich sein. Ein Retter aber, das scheint sicher, bleibt er sein Leben lang.