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Olympische und paralympische Spiele 2016 – eine ambivalente Bilanz

Die Spiele von Rio 2016 haben viel mehr Hoffnung gegeben als zu Resignation geführt, sagt der Autor Hans-Jürgen Schulke. Bei den Paralympischen Spielen konnte man noch den Olympic Spirit erleben.

Autor: DOSB
3 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 21. September 2016

Die Spiele von Rio 2016 haben viel mehr Hoffnung gegeben als zu Resignation geführt, sagt der Autor Hans-Jürgen Schulke. Bei den Paralympischen Spielen konnte man noch den Olympic Spirit erleben.

Zunächst die positive Meldung: Die Spiele in Rio haben vollständig und ordnungsgemäß stattgefunden. Alle Sportstätten, Transportmittel und Quartiere waren rechtzeitig fertig, Zeitpläne wurden – trotz zeitweilig schlechter Witterung – eingehalten, die Übertragungen in alle Welt funktionierten. Eröffnung und Schlussfeiern haben begeistert. Menschen aus allen Ländern der Welt nahmen aktiv teil, Menschen in der ganzen Welt verfolgten die Spiele, Kinder und Jugendliche wurden infiziert vom Virus Olympia. Und sie haben erstmals auf dem südamerikanischen Halbkontinent stattgefunden. Durchaus eine Erfolgsbilanz.

Ohne Zweifel – Olympische Spiele bleiben ein faszinierendes Produkt, für das sich Aktive wie Organisatoren bis an ihre Grenzen einsetzen, Zuschauer überall in der Welt begeistern lassen. Sie sind selbst in einem Schwellenland wie Brasilien, bei dem für viele die politische und wirtschaftliche Krise wie ein Tsunamie hereinbrach, durchführbar und lösen so ihre globale Präsenz ein. Dieser Beitrag für die Olympische Bewegung ist insbesondere dem Land Brasilien hoch anzurechnen und mag ärgerliche Missstände wie gefärbtes Wasser, fehlende Fahrstühle oder nicht sofort abtransportierte Hygieneartikel relativieren.

Der Negativsaldo ist ebenso berechenbar. Die seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts bestehende Terrorgefahr und der Dopingmissbrauch sind nicht geringer dafür komplizierter geworden, der politische Missbrauch der Spiele scheint neu entbrannt bis zum Einkauf neuer Nationalmannschaften, die Abhängigkeit von reichlich zahlenden Fernsehsendern zugenommen, der Gigantismus mit den Begehrlichkeiten der verschiedenen Sportarten unaufhaltsam, die Korruption in manchen Funktionärskadern unvorstellbar. Auch das ist heute Olympia: Ein Blick in die Schreckenskammer. Er gehört ausgestrahlt und nicht klammheimlich verschlossen oder schön geredet.

Wer sich jetzt allerdings mit Fundamentalkritik auf die Tribüne setzt oder skandalisierend Betrug und Bagatellen aneinanderreiht, muss sich fragen lassen, was ihm Olympische Spiele in einer Welt des Unfriedens und wachsender Fremdenfeindlichkeit wert sind. Und er sollte sich fragen, ob das angesichts erkennbarer und unerwarteter Fehlentwicklungen geforderte Krisenmanagement sofort wie komplett funktionieren kann. Was sind globale Krisen, was interne Systemfehler, was persönliche Verfehlungen? Transparenz hilft, Häme nicht. Und Zeit wird nötig sein, um mehr „Good Governance“ zu etablieren bis hin zu personellen Konsequenzen. Pläne und Instrumente dafür sind im Werden. Jetzt müssen sie erprobt und verbessert werden. Einheit bei aller Vielfalt ist Voraussetzung – es gibt nicht wenige Interessenten, die das eine oder andere Filetstück vereinnahmen wollen.

Die Paralympischen Spiele sind sympathisch, fröhlich, bevölkerungsnah herüber gekommen. Daraus ist zu lernen. Die Möglichkeiten eines erfüllten Lebens mit einer Behinderung sind nachhaltig vermittelt worden, wer da war konnte das erleben: Olympic Spirit. Doch auch hinter ihnen lauern Doping, überzogener Nationalstolz, wirtschaftliche und mediale Interessen. Auch hier droht, je attraktiver sie werden, Korruption und Betrug. Noch immer spielen Menschen mit geistiger Behinderung eine nachgeordnete Rolle. Und unklar bleibt, ob das IPC einen eigenen Weg gehen will. Soll man deshalb diese für behinderte Menschen so hoffnungsvollen Spiele schon schlecht reden?!?

Nein, die beiden Spiele von Rio 2016 haben viel mehr Hoffnung gegeben als zu Resignation geführt. Es liegt an den Organisationen und ihren Sportlern, sie in den Mühen der Ebene wirksamer werden zu lassen. Auch den Medien: Eine kritisch-faire Berichterstattung wird das unterstützen.

(Autor: Hans-Jürgen Schulke, Hochschullehrer für Sport- und Eventmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (HKM) in Hamburg. Im Ehrenamt war Schulke lange Jahre Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes und auch Vizepräsident Sport von Special Olympics Deutschland)

Die Deutsche Olympiamannschaft bei der Eröffnungsfeier in Rio 2016. Foto: picture-alliance